„Wir versuchten zu fliehen, aber Boko Haram Kämpfer kamen uns entgegen. Sie hielten uns fest und fragten: ‚Seid ihr Christen oder Moslems?‘ Wir antworteten: ‚Wir sind Christen.‘ Daraufhin mussten wir uns an den Straßenrand legen. Ich hörte, wie sie schossen. Zuerst dachte ich, sie würden in die Luft schießen. Aber dann sah, ich, dass mein Mann und meine beiden Söhne schon tot waren.“
Zusammen mit anderen christlichen Frauen und Kindern wurde die Frau von den islamistischen Kämpfern verschleppt und in ein Haus gebracht.
„Wir waren etwa dreißig Frauen und flehten die Männer an, uns gehen zu lassen, doch stattdessen terrorisierten sie uns nur umso mehr. Manchmal kamen sie mit Gewehren zu uns herein und schossen in die Luft. Von Zeit zu Zeit brachten sie uns hinaus auf ein Stück Land, richteten ihre Waffen auf uns und fragten: ‚Christ oder Moslem? Christ oder Moslem? Christ oder Moslem?‘ Sie wollten uns einfach nur Angst machen.“
Die Terroristen brachten die Frauen in immer wieder andere Häuser.
„Wir baten die Männer inständig, uns freizulassen, aber sie setzten uns ständig wegen unseres Glaubens unter Druck“, berichtete die Frau weiter vor dem Londoner Parlament. „Als wir sagten, dass wir Bäuerinnen wären, meinten sie: ‚Schließt euch unserem Glauben an, dann müsst ihr nicht mehr so hart arbeiten. Von uns bekommt ihr alles, was ihr braucht. Ihr müsst nur noch kochen und essen.‘“
Die Frau berichtete weiter von den schlechten Lebensbedingungen und den knappen Essensrationen.
„Wir bekamen nur Reis und Öl, und davon gab es auch nicht genug für uns alle“, fuhr sie fort. „Meistens gaben wir das Essen den Kindern. Das jüngste war zwei Wochen alt, das älteste Mädchen war neun.“
Doch glücklicherweise gelang ihr am 29. November 2014 bei einem Militärangriff die Flucht aus der Gefangenschaft.
Zunehmende Radikalisierung
Boko Haram entstand aus einer wachsenden Intoleranz gegenüber Christen im Norden Nigerias, so ein Sprecher von Open Doors in West Afrika. Seine Organisation unterstützt die verfolgten Christen in allen Bereichen, in denen sie Hilfe brauchen.
Die Bewegung begann schon in den Neunzigerjahren. Seit 2009, als zwölf Bundesländer in Nigeria die Scharia einführten, wird gewaltsam gegen Andersgläubige vorgegangen.
„Christen werden als Menschen zweiter Klasse behandelt und grundlegende Rechte werden ihnen versagt. Bestimmte Berufszweige und Beförderungen stehen ihnen nicht offen, auch wenn sie dafür qualifiziert sind. Auch die Teilnahme am Schulunterricht wird Kindern aus christlichen Familien oft verwehrt. Diese Entwicklung wurde dadurch verstärkt, dass die Benachteiligung christlicher Mädchen in Bezug auf Ausbildung und Beruf auch vor dem Aufkommen von Boko Haram schon weit verbreitet war“, erklärt Suleiman.
In vielen Bundesstaaten wurde der Lehrplan geändert und alle staatlichen Schulen unterrichten dort jetzt islamische Inhalte. Radikale Imame legen den Koran sehr extrem aus und rufen junge Leute öffentlich zum Heiligen Krieg auf.
„Sie vergiften die jungen Zuhörer mit ihren Hasspredigten. Die Folge sind religiös motivierte Gewalt und Übergriffe auf Christen.“
„Jeder Anlass dient als Vorwand, um gegen Christen vorzugehen. Im Jahr 2006 riefen extreme Moslems in sechs Städten zum Kampf gegen Christen auf. Allein in Maiduguri (im Nordosten Nigerias) zerstörten sie 56 Kirchen und es gab etliche Tote. Mit welcher Begründung geschah dies? Weil jemand in Dänemark Mohammed-Karikaturen gezeichnet hat. Auch wenn Israel im Nahen Osten gegen die Hamas vorgeht, bezahlen die Christen in Nigeria dafür mit ihrem Leben.“
„Die von Hass geprägte Ideologie, die in das Denken der jungen Leute gesät wurde, hat sich über Jahre hinweg entfaltet und trägt jetzt entsprechende Früchte. So entstand 2009 Boko Haram, eine Bewegung, die mittlerweile eine hervorragend strukturierte Organisation geworden ist und sich den Kampf gegen Christen zum Ziel gesetzt hat.“
Unermessliches Leid
Die Boko Haram Bewegung hat großes Leid über weite Teile Nigerias gebracht, erklärte Atta Barkindo, Forscher und Doktorand an der London School of Oriental and African Studies.
„Sowohl Christen als auch Muslime leiden unter Boko Haram“, sagte er. „Muslime, die den Aufstand nicht unterstützen, werden umgebracht und fliehen um ihr Leben.“
In jüngster Zeit stieg die Zahl der Koranschulen drastisch, während westlich orientierte Schulen immer weniger besucht werden. Immerhin bedeutet der Name Boko Haram je nach Übersetzung „Bücher sind Sünde“ oder „westliche Bildung verboten“.
Weiter erklärte Barkindo, dass die Schulbildung den Bundesstaaten und nicht der zentralen Landesregierung untersteht. Er berichtete von einem Imam, den er persönlich kannte, und der 300 bis 400 Kinder unterrichtete, ohne dass sein Unterricht in irgendeiner Form kontrolliert wurde. Es gibt für diese Kinder auch nicht die sonst in Schulen übliche medizinische Versorgung.